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    Faire Sozialhilfe - Eine Aktion gegen Leistungskürzungen im Kanton Bern

    Alle wollen weniger Menschen in der Sozialhilfe: die Frage ist wie

    4. März 2019

    von Heidi Stutz, Bereichsleiterin beim Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS), Bern

    Die Berechnungen zum Sozialhilfe-Grundbedarf haben starke Emotionen und Diskussionen ausgelöst. Sie reichen von Erwägungen zur Gerechtigkeit, häufig mit dem Unterton, dass man ja arbeiten könnte, bis zur Frage, was ein menschenwürdiges Leben kosten darf. Richtig beunruhigend erscheint uns aber nicht der genaue Betrag, sondern dass die Zahl der Sozialhilfebeziehenden (wie auch der Ergänzungsleistungsbeziehenden) seit längerem tendenziell steigt. Auch bei einem tieferen Grundbedarf werden diese Menschen nicht einfach verschwinden.

    Es dürften sich alle einig sein, dass wir weniger Menschen in der Sozialhilfe wollen. Ob man das Problem mit Anreizen durch Absenkung oder Differenzierung des Grundbedarfs lösen kann, ist allerdings fraglich, nicht nur wegen der 30% Kinder in der Sozialhilfe. Wichtig ist eine nüchterne, faktenbasierte Analyse der Gründe, die zum Sozialhilfebezug führen. Da gibt es mehr als einen:

    Steigender finanzieller Druck auf Familien: Durch steigende Mieten und sinkende Prämienverbilligung bei höheren Krankenkassenprämien, vielerorts teure Kinderbetreuung und mit der Teuerung nicht steigende Familienzulagen kommt man mit bescheidenen Einkommen immer weniger über die Runden. Hinzu kommt die ungleiche Aufteilung des Einkommens nach einer elterlichen Trennung, wodurch der Elternteil, bei dem die Kinder leben, oft in die Sozialhilfe gerät.

    «Ob man das Problem mit Anreizen durch Absenkung oder Differenzierung des Grundbedarfs lösen kann, ist allerdings fraglich, nicht nur wegen der 30% Kinder in der Sozialhilfe.»

    Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt: Es sind viele einfachere Jobs für Tiefqualifizierte verschwunden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch in diesem Segment, die Löhne sinken und die Arbeitsbedingungen erodieren. Es ist nicht mehr selbstverständlich, ohne Berufsabschluss überhaupt noch eine Dauerstelle zu finden, die das Existenzminimum deckt. Daran ändert die Absenkung des Grundbedarfs wenig. Hier braucht es eine Qualifizierungsstrategie, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass das Problem mit der Digitalisierung nicht kleiner wird.

    Kein Platz mehr für nicht voll Leistungsfähige: Weil weniger einfache Jobs vorhanden sind, ist es für die Unternehmen schwieriger geworden, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr voll leistungsfähige Personen durch Umplatzierung auf solche Stellen zu halten. Es gibt eine wachsende Zahl von Personen, die zu gesund sind für die IV, aber zu krank bzw. zu wenig leistungsfähig für den Arbeitsmarkt. Da die Arbeitgeber das volle Risiko für krankheitsbedingte Ausfälle tragen, haben sie auch aus diesem Grund keinen Anreiz, gesundheitlich Angeschlagene zu beschäftigen. Das erklärt teilweise die Zurückhaltung, Personen im höheren Erwerbsalter einzustellen. Ihre Zahl hat in der Sozialhilfe besonders stark zugenommen.

    Verfehlte Integrationspolitik: Wir tragen immer noch an den Folgen verpasster Integrationschancen, insbesondere im Asylbereich, wo sich nun mit den erhöhten Integrationspauschalen gewisse Verbesserungen abzeichnen. Ja, es kommen neben vielen Fachkräften auch Menschen ohne Berufsabschluss in die Schweiz. Als Flüchtlinge und im Familiennachzug haben sie ein Bleiberecht und müssten den Anschluss an eine Ausbildung wo möglich schaffen. Aber heute ist es nicht einmal eine Selbstverständlichkeit, dass motivierte Personen so lange finanziell Zugang zu Sprachkursen haben, bis sie das für eine Ausbildung geforderte Niveau erreichen.

    «Es gibt eine wachsende Zahl von Personen, die zu gesund sind für die IV, aber zu krank bzw. zu wenig leistungsfähig für den Arbeitsmarkt.»

    Mit anderen Worten liesse sich die Eskalation bis hin zum Sozialhilfebezug zwar nicht immer, aber auch nicht selten vermeiden, wenn eine unterstützende Familienpolitik und früher leicht zugängliche Beratung und Bildungsangebote vorhanden wären. Dies würde heute verschwendetes Humanvermögen mobilisieren und zudem mithelfen, Überschuldungssituationen zu vermeiden, die eigentliche Armutsfallen darstellen. Wie Ökonomie-Nobelpreisträger und Armutsforscher Amartya Sen es ausdrückte: Man muss die Handlungschancen der Menschen ins Zentrum stellen und ihre Handlungsspielräume erweitern, wenn man Armut effektiv bekämpfen will.

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